Der Mieter, der einen Überweisungsauftrag am Fälligkeitstag erteilt, entrichtet die Miete rechtzeitig. Nicht der Eingang der Zahlung auf dem Konto des Vermieters sei entscheidend, sondern der Zeitpunkt, zu dem der Mieter den Überweisungsauftrag erteilt. Das hat der VIII. (Mietrechts-)Senat des BGH entschieden (Urteil vom 05.10.2016 – VIII ZR 222/15).
Vermieter kündigt Mietvertrag wegen Zahlungsverzugs
Der BGH hatte über die Revision in einer Räumungsklage zu entscheiden. Der Vermieter hatte einen Wohnraummietvertrag gekündigt, weil – nach seiner Auffassung – die geschuldete Miete mehrfach zu spät entrichtet worden war. Der Mietvertrag enthielt eine Klausel, nach der Miete die spätestens am dritten Werktag des Monats zu zahlen sei. Weiter hieß es:
Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es nicht auf die Absendung, sondern auf den Eingang des Geldes an.
Der Mieter hatte mehrfach erst am dritten Werktag eines Monats einen Überweisungsauftrag erteilt. Der Betrag wurde dann erst nach dem dritten Werktag auf dem Konto des Vermieters gutgeschrieben, was dieser für verspätet hielt. Er kündigte daher das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzuges.
BGH: Klausel im Mietvertrag zur Rechtzeitigkeit der Zahlung unwirksam
Seine Räumungsklage gegen den Mieter war über drei Instanzen erfolglos. Der VIII. Zivilsenat bestätigte die Berufungsentscheidung des Landgerichts Köln vom 17. September 2015: Die Klausel im Mietvertrag, nach der für die Rechtzeitigkeit der Zahlung nicht die Absendung des Geldes maßgeblich sei, sondern der Eingang des Geldes auf dem Konto des Vermieters eingehe, sei unwirksam. § 556b Abs. 1 BGB sieht vor, dass die Miete zu Beginn, spätestens bis zum dritten Werktag der einzelnen Zeitabschnitte „zu entrichten“ ist. Damit ist nicht der Eingang der Zahlung auf dem Konto des Vermieters gemeint, so der BGH, sondern die Maßnahme des Mieters, das Geld auf den Weg zu bringen.
Das hatte im September 2009 das OLG Düsseldorf anders gesehen (Az. I-24 U 120/09, 24 U 120/09) und entschieden, dass es auf den Zeitpunkt ankomme, zu dem der Vermieter über den Zahlbetrag verfügen könne.
Geldschulden sind Schickschulden
Der BGH bestätigt seine Rechtsprechung, nach der Geldschulden sogenannte Schickschulden sind. Der Schuldner muss (rechtzeitig) alles tun, was erforderlich ist, um den Gläubiger zu befriedigen; bei einer Überweisung muss er also den entsprechenden Auftrag erteilen. Der Leistungserfolg, die Gutschrift des überwiesenen Betrages auf dem Empfängerkonto, gehöre jedoch nicht mehr zur Leistungshandlung des Schuldners, so der BGH. Der Schuldner habe für die Gefahr, dass sich die Übermittlung des Geldes „verzögert“, nicht einzustehen; denn die eingeschalteten Zahlungsdienstleister seien nicht seine Erfüllungsgehilfen im Sinne von § 278 BGB.
Diese ältere Rechtsprechung war vor dem Hintergrund der Zahlungsverzugsrichtlinie (Richtlinie 2011/7/EU vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr) in Zweifel gezogen worden. So hatte etwa der EuGH entschieden, der Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Gläubigerkonto sei maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob eine Zahlung durch eine Banküberweisung im Rahmen eines Geschäftsvorgangs als rechtzeitig bewirkt anzusehen sei. Allerdings soll auch nach der Richtlinie der Schuldner nicht in Verzug geraten, wenn er für eine Verzögerung nicht verantwortlich ist.
Der VIII. Zivilsenat widerspricht ausdrücklich der Auffassung, Geldschulden seien „modifizierte Bringschulden“, bei der der Schuldner die Gefahr der Verzögerung trägt.
Konsequenterweise musste er zu dem Ergebnis kommen, dass der Mieter die Miete jeweils rechtzeitig „entrichtet“ habe; da kein Zahlungsverzug vorgelegen habe, sei die ausgesprochene Kündigung unzulässig gewesen.
Wann ist die Gutschrift auf Empfängerkonto „verzögert“?
Die Entscheidung beruht auf der Annahme, die Gutschrift eines Überweisungsbetrages auf dem Empfängerkonto (mindestens) einen Tag nach Eingang des Überweisungsauftrages stelle eine „Verzögerung“ dar. Hierüber kann man durchaus streiten:
Nach § 675s Abs. 1 BGB hat die Bank des Zahlers sicherzustellen, dass der Zahlungsbetrag „spätestens am Ende des auf den Zugangszeitpunkt des Zahlungsauftrags folgenden Geschäftstages“ bei der Bank des Zahlungsempfängers eingeht. Die Empfängerbank hat dann die eingehende Zahlung dem Konto des Empfängers gutzuschreiben; das Gesetz sieht hierfür aber keine bestimmte Frist vor. Im Zweifel hat die Gutschrift unverzüglich erfolgen; doch muss dies noch am gleichen Tage erfolgen? Es entspricht nicht der alltäglichen Erfahrung, dass Überweisungen noch am gleichen Tag ausgeführt und dem Empfängerkonto gutgeschrieben werden.
Wenn man daher annehmen würde, dass sowohl die Ausführung des Überweisungsauftrages am darauffolgenden Tag als auch die Gutschrift des Betrages auf dem Empfängerkonto wiederum einen Tag später fristgerecht sei, wäre keine „Verzögerung“ gegeben, wenn das Geld erst zwei Tage, nachdem der Mieter den Überweisungsauftrag erteilte, beim Vermieter eingehen würde. Vielmehr würde dies einem regulären Geschäftslauf entsprechen, mit der der Mieter danach auch rechnen müsste. Es wäre dann nicht mehr rechtzeitig, wenn der Mieter den Überweisungsauftrag erst an dem Tag erteilen würde, an dem die Miete „entrichtet“ werden muss.