Kaskadenverweisung in Widerrufsbelehrung bei Darlehensvertrag unzulässig

  

Eine Entscheidung des EuGH vom 26. März 2020 (Az. C-66/19) belebt die Debatte über die Wirksamkeit von Widerrufs­­belehrungen bei Darlehens­­verträgen neu. Im Streit steht die sogenannte Kaskaden­verweisung auf § 492 Abs. 2 BGB.

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Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Az. C-66/19) zum Widerruf von privaten Krediten hat für Aufruhr unter Banken und Verbrauchern gesorgt. Der EuGH hatte entschieden, dass eine weit verbreitete Klausel, der sogenannte Kaskaden­verweis, in der Widerrufs­belehrung von Immobilien­krediten und Kfz-Finanzierungen nicht mit europäischem Recht vereinbar sei.

Kaskadenverweisung in Widerrufsbelehrungen

Im Streit stand eine Widerrufs­belehrung der Kreissparkasse Saarlouis. Wie bei vielen anderen Banken verwendete die Bank ein gesetzliches Muster, in dem sich der folgende Passus befand:

Die Frist [für den Widerruf] beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehnsnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Netto­darlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.

Die zitierte Norm, § 492 Abs. 2 BGB, wiederum verweist auf Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB. Der Darlehensnehmer, der sich über seine Rechte informieren wollte, muss daher die dort aufgeführten Regelungen lesen – welche wiederum auf andere Paragraphen verweisen.

Der Bundesgerichtshof hatte diese sogenannte Kaskadenverweisung für zulässig erachtet, denn die Normen, auf die verwiesen wird, seien „jedermann ohne weiteres zugänglich“, sodass sie der Kunde unschwer einsehen könne (z.B. BGH, Urteil vom 22. November 2016 – XI ZR 434/15, Rn. 19).

Diese Auffassung wurde heftig kritisiert, weil die Verweiskette für Laien kaum verständlich ist. Diese Bedenken teilte das Landgericht Saarbrücken, das über die Widerrufs­belehrung der Kreissparkasse zu entscheiden hatte, und legte dem EuGH mit Entscheidung vom 17. Januar 2019 die Frage vor, ob die Kaskadenverweisung mit europäischem Recht, insbesondere der Verbraucher­kredite-Richtlinie vereinbar sei.

EuGH kippt BGH-Rechtsprechung

Der Gerichtshof entschied, dass ein Verweis auf eine Vorschrift, die selbst wiederum auf andere Rechtsvorschriften verweist, nicht hinreichend klar und verständlich ist. Zentral sind folgende Erwägungen der Entscheidung (Randnummern 44 und 47):

Verweist ein Verbrauchervertrag hinsichtlich der [Pflicht]Informationen … auf bestimmte Vorschriften des nationalen Rechts, so kann der Verbraucher auf der Grundlage des Vertrags weder den Umfang seiner vertrag­lichen Verpflichtung bestimmen noch überprüfen, ob der von ihm abgeschlos­sene Vertrag alle nach dieser Bestim­mung erforderlichen Angaben enthält, und erst recht nicht, ob die Widerrufsfrist, über die er verfügen kann, für ihn zu laufen begonnen hat …

Eine bloße Verweisung in allgemeinen Vertrags­bedingungen auf Rechts­vorschriften, die die Rechte und Pflichten der Parteien festlegen, reicht daher nicht aus …

(EuGH, Urteil vom 26. März 2020 – Rechtssache C‑66/19)

Konsequenzen für Darlehensnehmer

Welche Bedeutung hat dies nun für Darlehensnehmer, deren Verträge eine Widerrufs­belehrung mit dem Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB enthalten?

Banken blocken Darlehensnehmer ab, die unter Berufung auf die Entscheidung ihre Verträge widerrufen wollen. Hierbei können sie sich u.a auf eine Entscheidung des OLG Stuttgart berufen (Beschluss vom 05. April 2020 – 6 U 182/19), das – vereinfach gesagt – darauf abstellt, dass die vom EuGH beanstandete Klausel aus der Muster-Widerrufs­belehrung des deutschen Gesetzgebers stammt, auf die sich der Darlehensgeber verlassen dürfe. Wie alle Richt­linien sei auch die Verbraucherkredite­richtlinie im Verhältnis zwischen Privatpersonen (bzw. zwischen Darlehen­snehmer und Darlehensgeber) nicht unmittelbar anwendbar. Der Wortlaut der deutschen Regelung sei eindeutig.

Andere Gerichte lassen erkennen, dass sie der Rechtsprechung des EuGH folgen und die beanstandete Klausel in Zukunft für unwirksam halten werden.

Prüfung durch Rechtsanwalt sinnvoll

Darlehensnehmer, die wissen wollen, ob ihr Vertrag widerrufen werden kann oder nicht, sollten fachkundige Hilfe einholen. Ihnen steht Rechtsanwalt Dr. Henning Kahlert, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in Karlsruhe, gerne zur Verfügung.

Rechtsanwalt Dr. Henning Kahlert ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in Karlsruhe.