Wenn der Anlageprospekt „zu dick und zu schwer“ ist, muss der Anlageberater mündlich informieren

  

Will der Anleger einen Emissionsprospekt nicht annehmen, weil dieser „zu dick und zu schwer“ ist, muss ihn der Anlageberater mündlich über die Besonderheiten der Anlage (ggf. mündlich) informieren. Das hat das OLG Celle am  15.09.2016 entschieden (Az. 11 U 209/15) und einen Anlageberater zum Schadensersatz verurteilt.

Anlageberatung bei Schiffsfonds

Der Kläger wollte Schiffsfonds kaufen und ließ sich vom Beklagten beraten. Der Berater wollte dem Kunden einen Fondsprospekt übergeben; der wollte den Prospekt jedoch nicht entgegennehmen, da er ihm „zu dick und zu schwer“ sei; mit „diesem Papierkram“ wolle er nichts zu tun haben. Er werde aber „einige mündliche Belehrungen entgegennehmen“.

Der Anlageberater informierte den Kunden dann mündlich, wies aber nicht auf die hohen Eigenkapitalbeschaffungskosten hin. Das OLG Celle hat ihn nun zum Schadensersatz verurteilt, weil die Beratung unvollständig und damit fehlerhaft war.

Anlegergerechte und anlagegerechte Beratung

Bei der Beratung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Wertanlagen ist der Berater verpflichtet, den Kunden anlegergerecht und anlagegerecht zu beraten. Er muss die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden berücksichtigen; insbesondere muss er sein Anlageziel, seine Risikobereitschaft und seinen Wissensstand erfragen. Die Anlageempfehlung muss dann unter Berücksichtigung des Anlageziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten sein.

Beratung durch Emissionsprospekt

Im Regelfall erfolgt die Beratung auf der Grundlage eines Emissionsprospekts. Der Berater ist verpflichtet, dem Kunden den Prospekt so rechtzeitig vor Zeichnung der Anlage zu übergeben, dass der Verbraucher ihn in Ruhe lesen und die Erläuterungen zur Kenntnis nehmen kann. Wenn der Berater annehmen darf, dass der Kunde den Prospekt gelesen und verstanden hat, ist im Regelfall keine weitere persönliche Aufklärung erforderlich. Umgekehrt gilt aber: Der Berater genügt seiner Beratungspflicht nicht, wenn er den Prospekt zwar übergibt, aber nicht annehmen darf, dass der Kunde diesen auch gelesen und verstanden hat.

Kunde wollte mit „diesem Papierkram“ nichts zu tun haben

Der Kunde wollte den Prospekt nicht annehmen, da er ihm zu umfangreich war. Das OLG bewertete dies so:

Der Anleger habe zu erkennen gegeben, dass er keine schriftliche Aufklärung wünsche. Er werde sich aber auf die mündlichen Erläuterungen seines Beraters verlassen. Der Berater durfte nicht annehmen, der Kunde sei an den Informationen gar nicht interessiert und verzichte auf eine Beratung. Das sei nur denkbar, wenn der Berater ausdrücklich darauf hinweise, dass er Prospekt wichtige Informationen (insbesondere zu Anlagerisiken) enthalte, die für die Anlageentscheidung bedeutsam seien, und dass er diese Umstände eigentlich mündlich erläutern müsse. Nur wenn der Interessent dann weder den Prospekt entgegennimmt noch eine mündliche Erläuterung der wesentlichen Prospektinhalt wünscht, dürfe der Berater dies so verstehen, dass der Kunde tatsächlich insoweit auf die Beratung verzichte.

Berater hätte auf hohe Eigenkapitalbeschaffungskosten hinweisen müssen

Im konkreten Fall ging es um die Zeichnung von Schiffsfonds. Der Berater hatte den Kunden nicht über die erheblichen Eigenkapitalbeschaffungskosten informiert. Diese Kosten, zu denen insbesondere (Vertriebs-)Provisionen gehören, muss der Anleger zahlen, obwohl sie oft nicht offen ausgewiesen sind. Der von ihm entrichtete Kaufpreis fließt damit nicht in vollem Umfang in die Anlage selbst.

 

 

 

 

 

Rechtsanwalt Dr. Henning Kahlert ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in Karlsruhe.